· 

Joy of Use

Mit Spaß und Freude zu einem positiven Nutzererlebnis

Lesezeit: ca. 5-10 Minuten =
  


Luftballons, grün und Petrol

Wir designen Websites, Anwendungen oder Produkte für Menschen. Dennoch spielen deren Emotionen im Designprozess selten eine Rolle (zumindest meiner Erfahrung nach). Funktionalität und Nutzerfreundlichkeit finden da schon eher Berücksichtigung, sind jedoch mittlerweile zum Standard geworden und längst kein Alleinstellungsmerkmal mehr. Das positive Nutzererlebnis hingegen, der Joy of Use, wird nicht immer zurate gezogen. Dabei kann er helfen, einen ganzheitlichen Ansatz bei der Produktentwicklung zu verfolgen. Was genau der Joy of Use ist und wie wir ihn messbar machen, erfährst du hier.

 

Was ist der Joy of Use?

Der Joy of Use bezeichnet das positive Nutzererlebnis, was ein Mensch bei der Bedienung eines Produktes, einer Website oder Anwendung empfindet. Es sorgt für eine positive Differenzierung zu anderen, vergleichbaren Angeboten und verschafft dem jeweiligen Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil.


Das Konzept des Joy of Use beschreibt ähnlich wie die User Experience die Gesamterfahrung im Umgang mit einer Anwendung. Es kann demnach nicht nur auf die visuelle Gestaltung oder das „Funktionieren“ eines Produktes reduziert werden. Der Joy of Use ist außerdem ein wichtiger Teil der User Experience, ja sogar deren Ziel. Oder anderes ausgedrückt: Joy of Use ist eine positive User Experience.

 

Joy of Use und Usability

In vielen Artikeln, die ich zum Thema gelesen habe, ist beim Joy of Use der Begriff Usability meist nicht weit. Doch ähnlich wie UX und Usability, sind auch Joy of Use und Usability keinesfalls gleichzusetzen. Während Usability lediglich die Einfachheit, Effektivität und Effizienz einer Anwendung beschreibt, geht der Joy of Use weit darüber hinaus.


Bei der Bewertung eines Produktes wird in der Regel zwischen einer pragmatischen Qualität (Usability) und einer hedonischen Qualität (Joy of Use) unterschieden. Erstere beinhaltet die Nützlichkeit und Gebrauchstauglichkeit, letztere bezieht sich vielmehr auf die menschlichen Bedürfnisse. Dementsprechend ist es auch die hedonische Qualität oder der Joy of Use, der „kleine“ Schwächen in der Bedienung oder Funktionalität leichter verzeiht. Umgekehrt geht das jedoch nicht. Weckt eine Anwendung keine positiven Emotionen, dann kann sie noch so leicht zu bedienen sein. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Nutzer in diesem Fall auf ein anderes Produkt ausweicht, ist hoch. Doch wie wecken wir positive Emotionen bei unserem User? Wie entsteht ein Joy of Use?

 

Wie entsteht Joy of Use?

Die Entstehung des Joy of Use hängt stark mit der Motivation des Nutzers zusammen. Kann diese durch Inhalte, Funktionen und Design bedient werden, ruft das eine emotionale Reaktion, sprich den Joy of Use, hervor. Die Motivation wiederum wird durch drei Elemente erzeugt:

  • Die Beantwortung persönlicher Ziele (z.B. das eigene Selbstbild, Projekte oder alltägliche Aufgaben)
  • Normen und Werte (sind in der Regel anerzogen)
  • Ästhetik (setzt sich aus prototypischen Erfahrungen und kognitiver Einfachheit zusammen)
Joy of Use - Entstehung - Infografik

Wie erschaffen wir einen Joy of Use?

Um einen Joy of Use zu kreieren, ist es essenziell mehr über den Nutzer herauszufinden. Was sind seine Ziele, Normen und ästhetischen Erwartungen? Auf diese Weise können wir eine ganzheitliche Anwendung erschaffen, die die Motivation des Users bedient und somit Emotionen hervorruft.


Dementsprechend kommen wir um eine Zielgruppenanalyse sowie -definition nicht herum. Wir müssen uns in die Lage des Nutzers hineinversetzen und dessen Bedürfnisse nachempfinden. Dies können wir unter anderem in Form von Kundeninterviews, Umfragen, Trendrecherchen oder Fokusgruppen erreichen. Doch auch Personas, Vor-Ort-Beobachtungen oder Tagebuchstudien helfen uns dabei, mehr über unsere Nutzer herauszufinden.


Zudem helfen folgende Attribute:

  • Eine eindeutige, intuitive Navigation
    Klare Rückmeldungen (z.B. Anweisungen oder Fehlermeldungen)
  • Die beständige Kontrolle seitens des Nutzers
  • Angenehme visuelle Gestaltung (gemäß der Zielgruppenanalyse)
  • Erfüllung der Erwartungen (gemäß der Zielgruppenanalyse)
  • Spielerische Elemente
  • Kleine, visuelle Details und Mikrointeraktionen

Joy of Use messbar machen

Usability-Test Schriftzug auf rosa Zettel

Den Joy of Use zu identifizieren ist tatsächlich nicht so einfach. Dennoch gibt es ein paar Messwerte, die gute Anhaltspunkte darstellen. Das sind vor allem solche, die sich mit dem Verhalten der Nutzer beschäftigen, sprich Besuchszeit, Absprungrate, Wiederbesuchsrate etc.
Darüber hinaus können Usability-Tests, Interviews und Eyetracking-Maßnahmen das nötige User-Feedback geben. Außerdem gibt es ausgewählte Test, die zusätzlich die emotionale Nutzererfahrung messen. Dazu gehören

  • AttrakDiff-Tests (eine Art Fragebogen zur Messung der pragmatischen und hedonischen Qualität)
  • Tiefeninterviews
  • Die Messung von Gehirnströmen per EGG/ Emotional Response Tracking

 

Warum der Joy of Use so wichtig ist

Infografik, Vorteile von Joy of Use

Mit dem Joy of Use und der hedonischen Produktqualität können Unternehmen sich klar von der breiten Massen absetzen. Doch warum ist das so? Ganz einfach: Wenn Menschen bei der Produktnutzung einen emotionalen und positiven Mehrwert erhalten, bleibt die jeweilige Marke auch positiv im Gedächtnis. Die User wollen zudem das Produkt wieder benutzen, um erneut dieses positive Gefühl hervorzurufen. Darüber hinaus steigt die Bereitschaft zur Weiterempfehlung.


In der heutigen Zeit reicht es längst nicht mehr aus, ein rein funktionelles/ zweckmäßiges Produkt zu entwerfen. Das ist vielmehr Standard beziehungsweise Voraussetzung. Der Joy of Use hingegen schafft ein Differenzierungsmerkmal sowie einen neuen Interaktionsansatz zwischen Anwender und System. Menschen sollen Anwendungen auch benutzen wollen und mehr bekommen, als sie erwarten. Dies erreicht man nicht mit bloßer Usability, sondern mit einem ganzheitlichen Ansatz, der Spaß und Vergnügen zum Ziel hat.

 

Wenn zu viel Spaß schadet

Einen kleinen Einwand habe ich nach diesem Plädoyer für den Joy of Use dennoch. Der „Spaß“ muss angemessen sein. Je nach Zielgruppe bedeutet Spaß nicht, ein aufwendiges Design, viel Spielereien oder eine hohe Interaktion einzubauen. Wie bei so vielem anderen im Leben macht die Dosis das Gift und man sollte versuchen, nicht übers Ziel hinauszuschießen. Das heißt, je nach Zielgruppe gelten andere Regeln für das sogenannte Nutzervergnügen.

Meine bisherige Erfahrung

Das positive Nutzererlebnis wurde bei meinen bisherigen Arbeitgebern eher versucht mit Usability zu erreichen. Das hatte vermutlich den Grund, dass Gefühle bei der Produktnutzung als etwas Ungreifbares wahrgenommen wurden. Der Fokus auf Funktionalität und Zahlen erschien in diesem Zusammenhang als der einfachere Weg.


Obwohl ich mich schon immer für die Motivation der Nutzer interessiert habe, muss ich gestehen: Ich hatte bisher nicht die Kraft meinen Standpunkt für die Bedürfnisse der User gegenüber den Managern/ Stakeholdern deutlich zu machen. Ich habe mich vielmehr vor der Konfrontation gedrückt, aus Angst, am Ende ausgelacht oder noch schlimmer als unerfahren hingestellt zu werden. Doch nach diesem Artikel bin ich hoffentlich für die nächste Diskussion gewappnet und kann die zukünftigen Projekte mit mehr Mut und Durchsetzungsvermögen angehen.

 

Fazit

Der Joy of Use ist ideal, um sich von der Konkurrenz abzuheben und seine User am Ende zufriedenzustellen. Ihn zu erschaffen ist nicht so einfach. Doch wenn wir ihn regelmäßig auf dem Schirm haben und unsere Designs diesbezüglich überdenken, sind wir unserem Ziel, eine hohe User Experience zu schaffen, ein kleines Stück näher.

 

Freut micht, dass du es bis hierher geschafft und eventuell meinen kompletten Artikel gelesen hast. In diesem Sinne möchte ich dir auf jeden Fall für deine Aufmerksamkeit und Zeit danken. Falls dir der Arikel auch noch gefallen hat, würde ich mich freuen, wenn du ihn mit deinen Freunden auf Facebook, Twitter & Co. teilst.